Hat Generalleutnant Metin Gürak am 15. Juli seine eigenen Einheiten in eine Falle geführt?
Die im Rahmen der sogenannten Putschversuche vom 15. Juli geführten Gerichtsverfahren haben Tatsachen ans Licht gebracht, die zeigen, dass das von der derzeitigen Regierung und ihren Partnern aufgebaute offizielle Narrativ zum 15. Juli nichts weiter als eine Unwahrheit ist.
Eine der offengelegten Tatsachen betrifft die Beauftragung des damaligen Kommandeurs der Garnison Ankara, Generalleutnant Metin Gürak, durch den damaligen Generalstabschef General Hulusi Akar. Metin Gürak, der zugleich Kommandeur des 4. Korps war, begann auf Befehl von Hulusi Akar am 15. Juli gegen etwa 19:00 Uhr mit einer Inspektion der Schule für Panzertruppen und des Ausbildungs- und Divisionskommandos. Aus der Aussage des in der Panzertruppenschule diensthabenden Obersts Erdal Yetim (1) geht hervor, dass Metin Gürak in die Kaserne kam, von Generalmajor Erdoğan Akyol empfangen wurde und von Metin Gürak gefragt wurde, wie viele Panzer sich in der Division befänden. Außerdem wurde die diensthabende Mannschaft der Division angewiesen zu überprüfen, ob sich die Panzer an ihrem Platz befänden, ob die Schlüssel sicher verwahrt seien und ob die Einstiegsluken geschlossen seien.
Das Ausbildungs- und Divisionskommando der Panzertruppen ist eine Einheit, die dem Ausbildungs- und Doktrinkommando der Landstreitkräfte untersteht. Es handelt sich also nicht um eine Einheit, die Metin Gürak unterstellt war. Dass Metin Gürak damit beauftragt wurde, einen Befehl des Generalstabschefs an eine ihm nicht unterstellte Einheit zu übermitteln, ist mit militärischen Gepflogenheiten unvereinbar und äußerst auffällig.
Während Metin Gürak den Befehl des Generalstabschefs an die ihm nicht unterstellte Panzertruppenschule übermittelte, erteilte er seinen eigenen unterstellten militärischen Einheiten keinerlei Anweisungen.
Ein weiterer bemerkenswerter Punkt ergibt sich aus der gerichtlichen Aussage (2) des damaligen Kommandeurs der 58. Artilleriebrigade, Brigadegeneral Murat Aygün, wonach Metin Gürak seinen eigenen Einheiten keinerlei Befehle erteilte:
„… Der Generalstabschef befiehlt dem Kommandeur des 4. Korps, Generalleutnant Metin Gürak, der der vorgesetzte Kommandeur meiner Brigade ist, an diesem Abend um 18:00 Uhr zur Ausbildungs- und Panzerdivision zu gehen, zu der er keine direkte Verbindung hat, und dort dem Divisionskommandeur mitzuteilen, dass kein Panzer und kein gepanzertes Fahrzeug die Kaserne verlassen dürfe. Metin Gürak fährt nach Etimesgut und übermittelt diesen Befehl. Derselbe Metin Gürak vergisst jedoch, seiner eigenen Einheit, der in Ankara stationierten 58. Artilleriebrigade in Polatlı – und ich vermute auch den anderen – sowie der 28. Mechanisierten Brigade in Mamak einen Befehl zu erteilen; es kommt ihm nicht in den Sinn. Ebenso wenig erteilt er Befehle an die Kommando-Brigaden in Kayseri und Bolu. In einer Situation, in der zahlreiche Generäle allein deshalb inhaftiert sind und vor Gericht stehen, weil ihre Namen angeblich auf einer sogenannten Ernennungsliste erscheinen, und während Metin Gürak selbst auf dieser Liste angeblich als Befehlshaber des Sanitätskommandos der Streitkräfte weitergeführt wird, trägt er keinerlei Verantwortung für das Ausrücken seiner eigenen Einheiten? Warum erteilt er nach Kenntniserlangung um 18:00 Uhr seinen eigenen Einheitskommandeuren, darunter auch mir, keinerlei Anweisungen und informiert sie nicht über die Lage?“
Metin Gürak hatte in jener Nacht keinerlei Kontakt mit den ihm unterstellten und angeblich aktiv am sogenannten Putsch beteiligten Kommandeuren der 58. Artilleriebrigade und der 28. Mechanisierten Infanteriebrigade. Obwohl mit einem einfachen Befehl an die Kommandeure dieser Einheiten verhindert hätte werden können, dass sie in der Nacht des 15. Juli die Kaserne verlassen, wurde dies nicht getan. Warum wurde dies unterlassen?
Metin Gürak ließ bei KOKTOD-Übungen scharfe Munition mitführen
Im Verfahren (3) zu den Handlungen im Zusammenhang mit dem 4. Korps und der 28. Mechanisierten Infanteriebrigade erklärte Stabsoffizier Deniz Ay, dass in den letzten drei bis vier Monaten auf Befehl von Metin Gürak fortlaufend Übungen zur Unterstützung der Sicherheitskräfte bei gesellschaftlichen Unruhen durchgeführt worden seien:
„… Als Oberst wurde ich in eine passive Verwendung versetzt. Ich wurde der Einheit ‚Unterstützung der Sicherheitskräfte bei gesellschaftlichen Unruhen‘ (KOKTOD) (4) zugeteilt. Entsprechend wurden Übungen durchgeführt. In den letzten drei bis vier Monaten wurde diesen Übungen jedoch übermäßige Bedeutung beigemessen. Metin Gürak begann, die Übungen persönlich zu überwachen. Normalerweise führen wir bei Übungen keine scharfe Munition mit; bei den letzten Übungen trugen wir jedoch scharfe Munition.“
Berücksichtigt man die Anweisungen Metin Güraks im Rahmen von KOKTOD vor dem 15. Juli und die Annahme, dass die 58. Artilleriebrigade aufgrund von Gerüchten über einen Terrorangriff und die Verhängung des Kriegsrechts im Rahmen von KOKTOD zur Unterstützung der Sicherheitskräfte aus der Kaserne ausrückte, so zeigt sich, dass der Kommandeur des 4. Korps und der Garnison Ankara, Generalleutnant Metin Gürak, die ihm unterstellten Einheiten dadurch, dass er ihren Kommandeuren keine Befehle erteilte, in eine Falle gelockt hat.
Umut Güçlüer
Quellen
(1) Kommandeur des Bataillons für Ausbildungsunterstützungsübungen der Schule und Ausbildungseinheit der Panzertruppen; Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Ankara mit Ermittlungsnummer 2016/176527, Aktenzeichen 2017/13327, Anklagenummer 2017/2345, Anklage „Panzertruppen“, § 617.
(2) Protokoll der Verteidigungsaussage des damaligen Kommandeurs der 58. Artilleriebrigade, Brigadegeneral Murat Aygün, abgegeben am 27.03.2017 im Rahmen der Verfahrensakte 2017/1 des 13. Schweren Strafgerichts Ankara.
(3) Verfahren vor dem 20. Schweren Strafgericht Ankara betreffend die Handlungen im Zusammenhang mit dem 4. Korps und dem 28. Mechanisierten Infanteriebrigadekommando.
(4) Unterstützung der Sicherheitskräfte (Polizei und Gendarmerie) durch Einheiten der Türkischen Streitkräfte (TSK) bei gesellschaftlichen Unruhen oder Terrorereignissen, einschließlich solcher in Stadtzentren.